Ende Juli 2001 soll
in Berlin eine einwöchige
Schulung für Judenmissionare stattfinden. Unter der Bezeichnung
STEP = Sommer Trainings- und Evangelisationsprogramm wollen "in der
Judenmission Erfahrene und Bewährte Kenntnisse vermitteln, die das
christliche Zeugnis den Juden gegenüber effektiver machen werden".
Bei haGalil onLine kann dies nur bedeuten, dass wir uns in der
nächsten Zeit noch mehr als bisher schon mit christlichem Antijudaismus
und den Praktiken der Judenmission auseinandersetzen werden.
Die Missionsmaschine läuft schon wie geschmiert:
Viel Geld fließt und die Logistik gedeiht
Die "Missionare" haben mittlerweile
eine weitreichende Logistik entwickelt und nutzen auch die modernen
Kommunikationstechnologien. Innerhalb des letzten Jahres (von Juni 2000
bis Juni 2001) hat sich die Zahl der deutschsprachigen messianischen
Internetseiten verdreifacht.
Diese Seiten werden in aller Regel von
christlich-fundamentalistischen Gruppen betrieben. Meist geben sie vor,
über Israel aus jüdischer Sicht informieren zu wollen. In der
Selbstbeschreibung der 'Nachrichten
aus Israel' (NAI) lesen wir z.B.: "NAI wird Sie über das
Geschehen in Israel korrekt und sachlich informieren, denn NAI bringt
auch das, was andere weglassen !"
Sie arbeiten mit zahlreichen jüdischen
Symbolen: Davidstern, Menorah (siebenarmiger Leuchter), Tallit
(Gebetsschal), Schofar (Widderhorn). Sie erklären die jüdischen
Feiertage unter christologischem Aspekt und verwenden Wörter, die in
ihren Kreisen ansonsten nicht üblich sind (z.B. Tora statt "Altes
Testament").
Durch den massiven Aufkauf
stichwortrelevanter Internetadressen wird versucht Leser von etablierten
jüdischen Websites abzuziehen und für sich zu gewinnen. Die meisten
dieser "messianischen Seiten" sind verlinkt mit national-religiösen
Seiten und Radiostationen in Israel (Aruz Schewa), sie unterstützen die
Siedlungsbewegung und verurteilen die israelische Friedensbewegung.
Deutschsprachige jüdische Onlinedienste sind oftmals Ziel massiver
Angriffe - insbesondere jene die den Friedensprozess explizit
unterstützen.
MISSVERSTÄNDNISSE UND
FEHLWAHRNEHMUNGEN
Für die jüdische Gemeinschaft sind die
Worte "Missionar" oder "missionarisch" bzw. "evangelistisch" mit einer
Fülle von Mißverständnissen und Fehlwahrnehmungen beladen. Meist löst
das Wort "Missionar" Assoziationen an Leute aus, die an Straßenecken
stehen und religiöse Schriften verteilen, Gespräche anbieten und zu
Veranstaltungen einladen, um Menschen zu überreden an Jesus zu glauben.
Möglicherweise denken wir auch an
Organisationen mit Mitgliedsstrukturen, Mailinglisten, Gebäuden, bei
denen wir genau sagen können: Dort befindet sich die Zentrale der
XY-Organisation oder das Zentrum der YZ-Gruppe.
Dies ist nur eine der Fehlwahrnehmungen wie wir sie im Hinblick auf
Missionare und wie sie arbeiten haben.
Unser zweiter Fehler ist, daß wir dazu
neigen die christliche Welt als monolithische Gruppe zu sehen, die im
wesentlichen alle ein und dasselbe glauben. In Wirklichkeit ist das
Christentum sehr komplex und mit seinen mehreren hundert Konfessionen
und Denominationen auch in seinen theologischen Lehren zu
grundsätzlichen Inhalten sehr unterschiedlich
Die römisch katholische Kirche
ist die größte christliche Kirche. Nach einer Geschichte, die grausamste
Verfolgungen und ungeheueres Leid über Juden brachte, sind die meisten
Katholiken heute nicht mehr daran interessiert, Juden zu missionieren.
Ein anderer wichtiger Teil der
Christenheit sind die protestantischen Kirchen. Für unseren Zweck
reicht es, wenn wir uns deutlich machen, daß es in dieser Gruppe zwei
große Lager gibt.
In Deutschland sind dies erstens die
evangelischen Landeskirchen (Lutheraner, Reformierte und
Unionskirchen), die in der EKD (Evangelischen Kirche in Deutschland)
zusammengeschlossen sind und zweitens die Freikirchen. Die größte
Freikirche in Deutschland sind die Baptisten oder auch "evangelisch
freikirchliche Gemeinden" genannt mit etwa 100 000 Mitgliedern.
Die liberalen Protestanten in den
Landeskirchen sowie auch die Methodisten und Unitarier sind nicht an der
Judenmission interessiert. Einige Landeskirchen haben Synodenerklärungen
verabschiedet, in denen sie sich ausdrücklich von jeglicher Form der
Judenmission distanzieren, andere beließen es bei
halbherzigen Statements. Eine Minderheit fundamentalistischer
"wiedergeborener Christen" innerhalb der Landeskirchen befürwortet die
Judenmission. Wenn diese Gruppen oder freien Werke innerhalb der
Landeskirche "Israelgebetskreise", in denen für die Errettung der Juden
gebetet wird, starten oder Räume an freikirchliche Gruppen für
judenmissionarische Aktivitäten zur Verfügung stellen, so schreiten die
Landeskirchen hier nicht oder nur höchst selten ein, denn diese Klientel
gehört zu den treuesten und beständigsten in den Gemeinden vor Ort.
Der größte Teil judenmissionarischer
Aktivitäten wird gefördert und unterstützt von fundamentalistischen
Gruppen aus dem evangelikalen und charismatischen Spektrum:
-
der Freikirchen (Baptisten,
Assemblies of God. Freie Christengemeinschaft, Heilsarmee...)
-
der evangelischen Landeskirchen
(evangelische Allianz) sowie
-
freie Werke innerhalb der
evangelischen Landeskirchen (Bund für entschiedenes Christentum,
CVJM, Liebenzeller Mission, Stadtmissionen) und
-
Gruppen außerhalb der Kirchen, die
eingetragene Vereine gegründet haben (EDI = Evangeliumsdienst für
Israel, Ebenezer Hilfsfonds, Exobus, Internationale christliche
Botschaft, Christliche Freunde Israels, diverse Jesuszentren...)
Kurz gesagt, es handelt sich um
fundamentalistische "wiedergeborene Christen", deren Ziel es ist, dass
jeder Jude zum Glauben an Jesus kommt.
Über Strategien und Konzepte der
Judenmission werden wir morgen berichten.
FORUM / LESERBRIEFE:
Die
Offensive der Missionare
haGalil onLine - 26-06-2001 |