Judentum und Israel
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Schwierigkeiten
im christlich-jüdischen Dialog

Warum ist es so schwierig, einen offenen christlich-jüdischen Dialog zu führen?

Die Problematik scheint stark in der Struktur der beiden Religionen begründet zu sein. Ein offener Dialog ist möglich, wenn sich die Gesprächspartner auf der gleichen Ebene befinden. Aus jüdischer Sicht ist es selbstverständlich, christliche Lehren, so weit sie nicht andere Individuen oder Gruppen negativ tangieren, zu respektieren, da das Judentum nicht behauptet, im Besitz der allein "wahren Lehre" zu sein.

Fundamentalistische Christen hingegen fühlen sich aufgrund ihres Bibelverständnisses dazu berufen, Juden zu evangelisieren, d.h. sie zum Glauben an Jesus als den Messias und G'ttessohn zu bringen.

Sie sind von der Struktur ihrer Glaubensüberzeugungen her nicht in der Lage, die jüdische Religion als vollwertig und gleichwertig zu akzeptieren, da sie den alleinigen Anspruch auf die Wahrheit erheben. Eine solche Einstellung führt dazu, dass ein gleichberechtigter Dialog nicht möglich ist, denn das Judentum wird von ihnen auf die Stufe einer unvollständigen Religion herabgesetzt. Aus ihrer Sicht ist es nur der Vorläufer des Christentums, und wird nicht selten in den Bereich einer Krankheit im Sinne eines geistlichen Defizits verbannt.

Diese Position wird nicht von allen heutigen Christen vertreten. Seit 50 Jahren versuchen Juden und Christen - vorwiegend aus dem liberalen landeskirchlichen Spektrum - aufeinander zuzugehen und in einen partnerschaftlichen Dialog zu treten. Stellenweise sind diese Bemühungen von ersten achtbaren Erfolgen gekrönt, nämlich dort, wo Christen sich zu ihrer Vergangenheit bekennen und Wege nach vorn in eine bessere Zukunft suchen. Dagegen zeigt die Orientierung zu den sogenannten jüdischen Wurzeln mehr eine Tendenz zur Schönfärbung der Historie als zur Förderung der Verständigung.

Dialogpartner und strukturelle Voraussetzungen

Vorab noch einige Punkte, die deutlich machen sollen, wer welche Position im christlich-jüdischen Dialog einnimmt und was daraus folgt:

  1. Wer an Jesus als den G'ttesohn und Messias glaubt, ist definitiv kein Jude.
  2. Wer nicht an Jesus als den G'ttessohn und Messias glaubt, wird vermutlich von Christen nicht als Christ angesehen.*
  3. Wer beides vermischt, ist weder Jude noch Christ - zumindest nach jüdischem Verständnis.

Die Punkte 1 und 2 machen m.E. einen Dialog keineswegs unmöglich, solange jeder "auf seiner Seite" bleibt und es nicht zu Punkt 3, der Vermischung beider Seiten kommt, die von der Struktur der beiden Religionen her nicht zu bewerkstelligen ist.

Was einen Dialog erschwert, ist das Bestreben von fundamentalistisch-christlicher Seite, so sehr zu "den Wurzeln" zurückzukehren, dass es zwangsläufig zu einer Vermischung führen muss, wenn beide Seiten darauf eingehen. (z.B. "messianische" Juden und die sie unterstützenden christlichen Kirchen, Gemeinden, Gruppen usw.) Das Ziel dieser "Vermischung der Religionen" ist aber letzten Endes immer wieder Mission zum Christentum.

(*Meine frühere Formulierung, er sei definitiv kein Christ, die ich dem kath. Katechismus entnahm, wurde nun von einem christlichen Teilnehmer des Forums als nicht korrekt abgelehnt, also beschränke ich mich auf die Formulierung einer Vermutung.)

Das frühe Christentum der Judenchristen

Im frühen, gerade entstandenen Christentum, als sich seine Anhängerschaft noch aus rein judenchristlichen Gläubigen zusammensetzte, galt diese neue Richtung des Judentums noch durchaus als jüdisch, wenn auch mit wenig Anerkennung, da sie sich zu einem Messias bekannte, den das übrige Judentum ablehnte. Der Gedanke, dass Jesus eine Erscheinungsform G'ttes sei, war damals noch nicht aktuell und so konnten diese Messiasgläubigen relativ problemlos innerhalb der jüdischen Gemeinschaft weiterleben. Sie hielten die Mitzwot, gingen in die Synagogen und lebten insgesamt ein ziemlich normales, jüdisches Leben.

Erst ihre Bemühungen, auch andere Juden zum Messiasglauben zu bekehren, brachten sie zunehmend aus der jüdischen Mitte heraus. Sie hatten nicht vor, sich vom Judentum zu trennen, sie wollten es insgesamt verändern zu einem "besseren Judentum". Dies gelang nicht und so entwickelte sich die Abspaltung des Christentums vom Judentum als eine notwendige Konsequenz. Notwendig für beide Seiten, betrieben hauptsächlich von der christlichen. Auch dies zwangsläufig, denn das Judentum selbst hatte sich nicht verändert, es war die neue Bewegung, die plötzlich neue Lehren verkündete und mehr und mehr grundsätzliche Religionsfragen in ihr Gegenteil verkehrte.

Christliche Abgrenzung zum Judentum

Mit der Zeit entwickelte sich von christlicher Seite aus eine immer stärkere Abgrenzung zum Judentum. Die Gebote wurden außer Kraft gesetzt. Für einen Juden, der sein Leben lang jüdisch gelebt hatte, war es nicht leicht, sich von seinen religiösen Grundsätzen zu trennen und das musste zu psychologischen Abgrenzungsproblemen führen. Der Verzicht auf ein jüdisches Leben wurde umgekehrt in eine bewusste Ablehnung der Gebote, die von nun an als nutzlos, schlecht, tödlich, ja "verflucht" bezeichnet wurden. Zentrum der neuen Religion wurde der reine Glaube an Jesus als den Sohn G'ttes und den Messias.

Spätestens an dem Punkt konnte das Judentum diese ehemals jüdische Sekte nicht mehr als jüdisch betrachten, da sie nicht mehr anerkannten, dass G'tt einzig ist. Das führte zu der Konsequenz, dass man sich nicht mehr mit den Christen abgab, sie sollten ihre eigene Religion leben, sich aber nicht mehr als Juden bezeichnen.

Für die Anhänger der neuen Religion / Bewegung entstand die Notwendigkeit der Rechtfertigung, denn, wozu hatten sie eine neue Religion gegründet, wenn diese nicht auch besser war als das althergebrachte Judentum? Sie mussten dafür sorgen, dass sich innerhalb der eigenen Reihen eine Art Elitegedanke durchsetzte, wenn sie verhindern wollten, dass eigene Anhänger sich wieder dem Judentum zukehrten.

Abgrenzung von christlicher Seite:

  1. Jesus wurde als der Sohn G'ttes in die Religion eingeführt.
  2. Das Zweite Gebot wurde abgeschafft.
  3. Der Bund G'ttes mit Israel wurde als "alt" bezeichnet, der von einem "neuen" und vor allem besseren Bund abgelöst worden sei. Das Judentum wurde zum Feindbild, die Juden als G'ttesmörder bezeichnet.
  4. Bis auf ein modifiziertes Zehnwort blieb von den Mitzwot nichts übrig, da das Gesetz als verflucht bezeichnet wurde.

Das Christentum definierte sich - ausgehend von der gleichen Basis - in vielen Aspekten antithetisch zum Judentum (Gesetz vs. Evangelium etc.) und schuf damit die Grundlage des christlichen Antijudaismus, weil diese Art der Selbstdefinition davon lebt, dass das "gesetzliche" Judentum die dunkle Folie zum sich davon strahlend hell abhebenden Christentum bildet.

Vielleicht um einen Rückfall der Judenchristen in jüdische Traditionen zu verhindern, entstand die Dogmatik. In den Evangelien lesen wir Aussagen, die zu unerschütterlichen christlichen Glaubensgrundsätzen wurden. Es war nicht die Rede davon, dass das Gesetz vielleicht nicht für jeden notwendig sei, nein, es wurde als allgemein verflucht dargestellt (Gal. 3,9 ff; Röm. 7,7 ff). Es war auch nicht die Rede davon, dass der Glaube an Jesus als den Messias und den Sohn G'ttes ein anderer oder meinetwegen besserer Weg zum Heil sei, nein, es war der einzige Weg (Joh. 14,6).

Der Tanach diente nurmehr vor allem der Beweisführung für die Richtigkeit des sog. "Neuen Testaments".

Dialogbereite Christen heute distanzieren sich zunehmend von den paulinischen Lehren. Sie sehen sie und sie erkennen, dass sowohl diese Lehren als auch die daraus resultierenden Schlussfolgerungen vieler bedeutender Kirchenlehrer hieraus keinen Dialog zulassen. Missionarische Christen aber verschließen die Augen vor ihren eigenen Ursprüngen, sie bezeichnen paulinische Aussagen als von jüdischer Seite missverstandene Worte, die weder historisch noch aktuell eine negative Auswirkung auf den Kontakt zwischen Juden und Christen hatten oder haben. Diese Missionare leugnen nicht nur den antijudaistischen Charakter der paulinischen Lehren, sie stellen sich auch blind vor einer Geschichte des Christentums, das seine Judenfeindschaft 2000 Jahre lang aus diesen Quellen nährte - und es vereinzelt heute noch tut.

Missionsauftrag - zuerst die Juden, dann die Griechen ?

Vor allem Paulus lehrte, die Juden hätten G'tt ermordet (Apg. 2,36; 5,30), sie hielten sich an ein Gesetz, das verflucht sei (Gal. 3,10) und sie leugneten den "Neuen Bund", der den Alten Bund aufgehoben und durch etwas Besseres ersetzt habe (Hebr. 8,13).

Die ersten Schritte zum christlichen Antijudaismus waren gemacht. Dies wäre aber noch nicht so problematisch gewesen, denn, wenn man eine Religionsgemeinschaft ablehnt, kann man sich von ihr distanzieren und unter Seinesgleichen bleiben. Aber das Christentum ist von seinem Ursprung her missionarisch ausgelegt, es sieht seinen Auftrag darin, alle Völker zum Christentum zu bekehren. Nun hätte das Christentum noch genug mit allen möglichen heidnischen Völkern zu tun und könnte das kleine jüdische Volk erst einmal außen vor lassen, wenn nicht Paulus' Aussagen in Röm. 1,16 und 2,9-10, "die Juden zuerst und dann die Griechen" von evangelikalen Christen in der Weise interpretiert würden, dass es sich dabei um einen Missionsauftrag und nicht um die Erwählung des Volkes Israel handele. Sie meinen also, bevor nicht ganz Israel den Glauben an den Messias Jesus angenommen habe, werde dieser nicht "wiederkommen". (Röm. 11,26)

Das Christentum war also entsprechend seinem Selbstverständnis gezwungen, diejenigen, die es als seine Feinde betrachtete, in die eigenen Reihen zu holen, um seine Auffassung von Heilsgeschichte zu vollenden. Durch diesen besonderen Missionsauftrag entstand ein weiterer Aspekt der christlichen Judenfeindschaft: Die Juden waren nicht mehr allein G'ttesmörder, sondern sie verzögerten auch noch die Wiederkunft des Messias.

Zurück zu den Wurzeln?

Heute bereut das Christentum viele seiner Taten und Unterlassungen der Vergangenheit, wendet sich bewusst wieder seinen "Wurzeln" zu. Vor allem das fundamentalistische Christentum will wieder das Judentum, das sie als die Basis des Christentums betrachten, erreichen. Missionarische Christen feiern auf einmal den Schabbat, veranstalten Chanukkafeiern und Pessachseder, tragen Kippa und Tallit und fühlen sich dabei so recht jüdisch - mit dem Unterschied, dass sie den Gauben an Jesus als jüdisch bezeichnen, wobei sie Jesus nun eben Jeschuah nennen.

Aber, wie weit zurück kann das Christentum gehen, ohne sich selbst in Frage zu stellen und sowohl seine negativen als auch positiven Aspekt zu verlieren? Die wesentlichen Berührungspunkte (siehe fünf Punkte oben) beider Religionen liegen genau da, wo Christentum und Judentum in absolutem Gegensatz zueinander stehen. Wie aber soll ein Dialog entstehen, wenn die historische Realität verdrängt wird? Will das Christentum sich so weit zurück besinnen (zurück entwickeln) bis es seine 2000-jährige Identität einschließlich aller negativen UND positiven Aspekte verloren hat und nurmehr eine jüdische Sekte ist? Dies kann und wird nicht das Ziel der Kirchen sein, denn dann müßte auch die Kernaussage der Messianität Jesu zurückgenommen werden, und so muss die Erneuerung der Kirchen zwar mit Blick auf die Historie, aber mit dem Blick auf eine Weiterentwicklung in die Zukunft stattfinden. Eine Rückkehr in idealisierte, gute alte Zeiten kann weder dem Christentum noch dem Judentum helfen, einen fruchtbaren Dialog zu führen.

Das Selbstverständnis des Christentums wird auch heute noch von offizieller kirchlicher Seite als missionarisch bezeichnet (s.u.). Je nachdem, wie fundamentalistisch dieses Selbstverständnis gelebt wird, ist das Christentum weiterhin gezwungen, Juden zu sagen, dass es keine Heilsgewissheit für sie gibt und dass sie, dadurch, dass sie sich nicht zum "wahren Glauben" bekehren lassen, zudem die Wiederkunft Jesu verzögern.

Ein Christ, der sich zu stark zu seinen "Wurzeln im Judentum" hinwendet, verrät an dieser Stelle entweder seine eigene Religion (da er die jüdische Lehre dann als vollwertig und wahr anerkennt) oder er annektiert jüdische Inhalte und interpretiert sie christologisch für seine Zwecke - wie das auch bei vielen der von christlichen Fundamentalisten publizierten Internetseiten deutlich wird, aber eine Deckungsgleichheit der unterschiedlichen Lehren herbeizuführen, ist von der Logik der Sache her ausgeschlossen.

Auch scheint diese Deckungsgleichheit nicht wirklich angestrebt zu werden, wenn man beobachtet, dass die Übernahme jüdischer Riten und Symbole oft eben nicht auf die Torah zurückzuführen ist. Da wird beim Zünden der Schabbatkerzen der Segensspruch "der uns geboten hat ..." gesprochen, der nicht in der Torah zu finden ist, sondern auf die Rabbinen zurückgeht, es wird eine Kippa getragen, von der ich in der Torah nichts finden kann, oder es werden zu Chanukka acht Lichter gezündet, obwohl hiervon nichts in der Torah steht, dort ist von Lichtern überhaupt nicht die Rede. Erst seit der zweiten Hälfte des 1. Jh. n.d.Z. feierte man Chanukka mit einem Licht, besonders Eifrige nahmen dann acht. Die derzeit praktizierte Tradition geht auf die Schule Hillels zurück. Christen übernehmen hier Dinge, die die Rabbinen eingeführt haben und betrachten sie auch noch als von G'tt gegeben. Abgesehen davon, dass sie (unwissend?) menschliche Tradition mit G'ttes Gebot gleichsetzen, widerspricht es im Grunde dem christlichen Selbstverständnis, rabbinische Lehren anzunehmen, wo sie doch die Rabbinen normalerweise als "gesetzlich" abwerten.

Aber zurück zu der Frage, was bleibt, wenn eine Deckungsgleichheit der Lehren nicht erreicht werden kann. Mission.

Mission oder Evangelisation?

An der gesamten Problematik ändert auch die neuere Haltung der EKD nicht viel, auch wenn das Thema "Juden und Christen" das einzige ist, zu dem sich die EKD ausführlich drei mal geäußert hat. Dies wird beispielsweise sichtbar an den Äußerungen des bekannten Theologieprofessors Eberhard Jüngel, der dem liberalen Spektrum zuzurechnen ist.

Es macht praktisch keinen Unterschied, ob sie ihre Bekehrungsversuche nun Mission oder Evangelisation, christliches oder messianisches Zeugnis an oder für Israel nennen. Fest steht, dass es einem Christen mit dieser Grundhaltung unmöglich ist, sich wirklich definitiv gegen Judenmission auszusprechen. Wenn die christlichen Positionen nicht neu überdacht werden und eine klare Distanzierung zu nicht haltbaren Inhalten formuliert wird, hilft auch der sehnsüchtige Blick in die gute, alte Zeit nicht weiter.

Der Tübinger Theologe Prof. Dr. Eberhard Jüngel hierzu: "Christ, der Retter ist da! ... Diese Wahrheit darf niemandem vorenthalten werden, muss also auch Israel gegenüber angezeigt werden." Es sei die Pflicht eines jeden Christen, Juden das Evangelium zu verkünden, was man bemängeln müsse, sei allein der Begriff "Mission". Daher fordert Jüngel, den Begriff in Bezug auf die Bekehrung der Juden in "Evangelisation" umzuändern, da das Wort Mission die Juden den Heiden gleichsetze. Entscheidend bleibt, dass - unter welchem Begriff auch immer - Christentum zur Bekehrung der Juden verpflichtet ist, ja, dass es sogar Verrat am christlichen Glauben begeht, wenn es sich dem entziehen will.

Bei der Definition der kirchlichen Ziele wird Jüngel etwas unkonkret, er verlangt nicht, 'Juden auf den christlichen Glauben zu verpflichten', aber er fordert, "dass ganz Israel gerettet werde" (Röm. 11,26). Wann aber ist Israel nach christlichem Verständnis gerettet? Wenn es Jesus als den Sohn G'ttes und den Messias annimmt. Wo liegt also der Unterschied zwischen Mission und Evangelisation?

Nun gilt Jüngel nicht als fundamentalistischer Christ, seine Stellungnahmen werden als "Nein zur Judenmission" gefeiert, nur sehe ich dieses "Nein" nicht, wenn nur der Begriff geändert wird. Es fällt also auch Nichtfundamentalisten schwer, belastete christliche Lehren so einfach über Bord zu werfen. Es wird noch ein langer Prozess sein, bis sich der Dialog zwischen Juden und Christen tatsächlich auf gleicher Ebene befindet.

Auch die Distanzierung des Ratspräsidenten der EKD Kock von der Judenmission wirkt nicht überzeugend, wenn er nach seiner etwas verwaschenen Antimissionsaussage später davon absieht, an einer Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft Judenmission teilzunehmen, um einem Konflikt mit missionarischen Gruppen aus dem Weg zu gehen.

Ebenso wenig überzeugend für eine antimissionarische Haltung der EKD wirkt die Zulassung des EDI (Evangeliumsdienst für Israel) zum Kirchentag in Stuttgart, obwohl sowohl von jüdischer als auch von christlicher Seite gefordert worden war, dies zu verhindern.

Eindeutiger äußert sich die katholische Kirche gegen Judenmission und auf Grund ihrer inneren Strukturen hat sie mehr Möglichkeiten, Mission, Evangelisation, messianisches oder christliches Zeugnis zu unterbinden.

Stellungnahme der EKD zur Judenmission in der Studie Judenmission III:

In dem Artikel Evangelische Kirche erteilt Judenmission Absage vom 22.Juli dieses Jahres ist zu lesen:

"... "Christlicher Glaube ist seinem Wesen nach missionarisch", ... Doch nach intensiven Diskussionen in den Mitgliedskirchen der EKD heben die Autoren auch hervor, die Notwendigkeit "besonderer missionarischer Zuwendung,'' der Kirche zu den Juden sei heute "kritisch in Frage zu stellen". [Was einer Ablehnung noch lange nicht gleich kommt. Anm. d. Autorin] Juden stünden "keineswegs im Status der Heilsferne und Heillosigkeit". Angesichts der schuldbeladenen Geschichte der Kirche im Verhältnis zum Judentum müsse gefragt werden, ob der Verzicht auf organisierte Judenmission geboten sei. [Dies ist lediglich eine Frage, ob man Judenmission ablehnen solle, nicht, dass man es definitiv tue. Anm. d. Autorin]

Die Weitergabe des christlichen Glaubens an interessierte Juden wird damit nicht prinzipiell abgelehnt, nur "organisierte" Missionsarbeit in dieser Bevölkerungsgruppe soll nach den Willen der EKD künftig unterbleiben. Die universelle Gültigkeit des christlichen Missionsauftrages soll so erhalten bleiben. Dies scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, auf den sich die evangelischen Kirchen derzeit einigen können. Die Zustimmung wird aber nicht einhellig ausfallen." [Hervorhebungen durch die Autorin]

Eine Ablehnung von Judenmission aus historischen Überlegungen wird keinen dauerhaften Bestand haben, wenn nicht auch tragende christlich-theologische Gründe gefunden werden. Die Untätigkeit oder Mittäterschaft der Kirchen während der Schoah werden sich mit dem Aussterben der Ersten und vielleicht auch noch der Zweiten Generation historisch verwischen und die Mission wird dann kein Hindernis mehr kennen. Schon heute wird damit auf fundamentalistischer Seite spekuliert.

Die weiter zurückliegende Unheilsgeschichte des Christentums führte bisher auch nur zu einer Änderung der Missionstechniken, zu einer Absage an Gewaltmission, nicht aber zu tragfähigen theologischen Begründungen gegen Judenmission. Oft aber werden diese Dinge nicht aufgearbeitet, sondern beim Rücksprung zu den "jüdischen Wurzeln" einfach übersehen.

Der Holocaust als Missionsbremse in Deutschland

Jüngel vermerkt auf der Synode des EKD 1999: "Nachdem die Kirche in Deutschland, als es bitter nötig war, nicht für die Juden geschrien hat, wird sie schon aus der ihr gebotenen Strenge gegen sich selbst heraus sich für ganz und gar unberufen halten, Israel im Namen Jesu Christi anzusprechen." Dies bedeute für ihn aber nicht, dass nicht die gesamte Ökumene darauf verpflichtet sei, Evangelisation an Juden zu betreiben.

Die "Werkstatt des württembergischen Pietismus" schreibt dazu in ihrer Resolution Judenmission II: "Man kann sehr wohl darüber reden, ob es spezielle Aufgabe von uns Deutschen ist, Juden zum Messias Jesus einzuladen, solange die Holocaust-Generation noch am Leben ist." Man hofft hier also angelegentlich auf die biologische Lösung, um wieder ungehindert mit der Mission, heute unter dem Namen Evangelisation, fortfahren zu können. Nicht der Bekehrungseifer der Kirchen ist für sie verwerflich, es ist der gewählte Zeitpunkt.

Für Juden spielt es aber keine Rolle, ob Mission früher oder später stattfindet, entscheidend ist, dass sie auf die Vernichtung des Judentums abzielt.

Schlussbetrachtung

Solange immer noch viele Christen den Anspruch auf die "alleinige wahre Lehre" erheben, ist es nicht möglich, in einen wirklich gleichberechtigten Dialog zu treten,. Aber ob sie diesen Anspruch aufgeben können, kann auch das Judentum - die angebliche "Wurzel" - nicht beantworten. Die Antwort auf diese Frage kann nur in christlich-theologischen Grundlagen gesucht und gefunden werden. Es nützt keinem etwas, wenn verzweifelte Versuche unternommen werden, die Zeit zurückzudrehen. Die christliche Lehre ist in 2000 Jahren gewachsen und kann nicht in den entscheidenden Teilaspekten binnen 50 Jahren wieder in ihr Gegenteil verkehrt werden. Das Christentum sollte in seinen Dogmen, Lehren, Ideen und Gedanken suchen, ob ein gleichberechtigter Dialog mit dem Judentum eine Chance hat. Die sentimental-romantische Übernahme jüdischer Bräuche, die dann auf christliche Art und Weise praktiziert werden, wirken bestenfalls lächerlich, werden aber viel eher noch als Annektion jüdischer Inhalte empfunden. Auf dem Weg der Verständigung führt dies alles keinen Schritt weiter.

i.s.

Mit herzlichem Dank für die Unterstützung bei der Überarbeitung des Artikels an MiJu!

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